Es war einmal ... Teil 4


22. Dezember 2016

 

Drei Monate hat Karl Zwermann auf heißen Kohlen gesessen – oder sollte man lieber sagen auf stacheligen Rosen? Denn seit September hieß es: Warten auf das Prädikat „Rosendorf“. Niemand hatte mehr auf eine Antwort der Rosendorfkommission in diesem Jahr zu wagen gehofft. Doch gestern Morgen klopfte, drei Tage vor Weihnachten, das Christkind an die Tür. Und hatte sensationelle Nachrichten im Gepäck.

Wir sind Rosendorf!

Gesellschaft der Deutschen Rosenfrende verleiht Wernborn das begehrte Prädikat

Zwei, die für das Rosendorf Wernborn geschuftet haben: Peter Zinke (links) und Karl Zwermann, Wernborns Ortsvorsteher und Chef des Obst- und Gartenbauvereins. Foto: Konder
Zwei, die für das Rosendorf Wernborn geschuftet haben: Peter Zinke (links) und Karl Zwermann, Wernborns Ortsvorsteher und Chef des Obst- und Gartenbauvereins. Foto: Konder

 

Es ist Mittwochmorgen, 6.30 Uhr. Karl Zwermann, Chefgärtner und Rosenbotschafter von Wernborn, steigt aus den warmen Federn, zieht sich an und geht durch den mit Raureif belegten Garten die Post vom Vortag holen. Der Dienstag war mit Terminen vollgestopft, und so lagen jede Menge Briefe einen Tag lang im Briefkasten. Wenn Karl gewusst hätte, was da schon 24 Stunden lang auf ihn wartete . . .

 

Um 7 Uhr setzt er sich an den Frühstückstisch im Wintergarten und öffnet Kuvert nach Kuvert. Eines davon trägt den Absender der Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde. Das sind die Macher der deutschen Rosendörfer und -städte. Wer das Prädikat haben will, kommt an der Gesellschaft nicht vorbei. Also gibt es doch noch eine vorläufige Antwort von der Kommission, die am 19. September das Dörfchen unter die Lupe genommen hatte, denkt sich Karl.

 

Nichtsahnend beginnt er zu lesen, was ihm der Vizepräsident der Gesellschaft, Herbert Grömmel, da schreibt: Der geschäftsführende Vorstand hat einstimmig beschlossen, den Stadtteil Wernborn ab 2017 zur „Rosenstadt“ zu ernennen, steht da schwarz auf weiß. Unfassbar – Karl und sein Obst- und Gartenbauverein mit den vielen fleißigen Helfern haben es geschafft, der Griff nach den Sternen ist geglückt. Und das auch noch im Jubiläumsjahr 825 Jahre Wernborn. Besser hätte es nicht laufen können! Wolfgang Merz, Vorsitzender des Vereins 825-Jahre-Wernborn, sagt: „Das ist ein krönender Abschluss für das Jubiläumsjahr.“ Auch Bürgermeister Steffen Wernard (CDU) jubelt, zeigt sich „hocherfreut, dass das sehr große ehrenamtliche Engagement der Wernborner belohnt wird“. Und schließlich sei die Auszeichnung auch ein gutes Marketing-Instrument für die Stadt.

 

„Das war wirklich eine große Überraschung“, erzählt mir Karl zwei Stunden später. Auf dem Tisch eine Flasche Sekt, am Tisch Peter Zinke, der bei jedem Arbeitseinsatz mit von der Partie ist und zum Vorstand des Vereins gehört. Auch Peter (man kennt sich ebenfalls) kann es noch nicht so recht glauben, dass der große Traum Wirklichkeit geworden ist. Ihn erwischte die gute Nachricht gestern unter der Dusche. „Ungläubig gestaunt“ hat er, jetzt grinst er mit Karl und dem sprichwörtlichen Honigkuchenpferd um die Wette.

 

Auch ich hatte während und nach dem Dorfrundgang mit der Kommission so meine Zweifel, ob Wernborn mit den großen Rosenstadt-Vorbildern mithalten kann. Schließlich hatten sich die Kommissionsmitglieder nicht an allen Ecken begeistert gezeigt. Jubel sieht anders aus . . ., so mein Gedanke.

Den Gutachtern fehlte schlichtweg die Rosenvielfalt. Denn im Gegensatz zu anderen Rosendörfern kann Wernborn in diesem Punkt ehrlicherweise nicht mithalten. Beispiel gefällig? In der Rosenstadt Eltville am Rhein, anerkannt seit 1988, blühen 350 verschiedene Sorten. Davon ist Wernborn weit entfernt. Ebenso was die Anzahl der gepflanzten Rosenstöcke betrifft. Weiteres Beispiel: Nöggenschwiel im Südschwarzwald, das Vorzeige-Rosendorf in Deutschland, hat weit über 20 000 Rosenstöcke in die Erde gebracht, die Anzahl der Sorten liegt im vierstelligen Bereich. Auch, dass es keinen Schaugarten gibt, wurde vom Komitee bemängelt. Und so hieß es erst einmal, man wolle im kommenden Jahr nochmal schauen kommen. Grund zum Zweifeln gab es ergo genug. Doch die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt. Umso fantastischer dann die Nachricht gestern Morgen: Wir sind Rosenstadt!

Klares Statement: Rosendorf

Richtig: Nicht Rosendorf, sondern Rosenstadt. Denn Usingen ist als Stadt der Gesellschaft der Deuschen Rosenfreunde beigetreten. Ob es in der offiziellen Ehrenurkunde, die im Frühjahr überreicht werden soll, auch so stehen wird, ist allerdings noch offen. Denn Wernborn könnte sie auch als Rosendorf eintragen lassen. Doch das will Karl erst einmal mit dem Bürgermeister in aller Ruhe besprechen. Doch der meinte gestern frei heraus: „Ich finde, das muss Rosendorf Wernborn heißen!“ Auch wenn Usingen einen Rosengarten und ein Rosenfest hat, und sich vielleicht noch mehr Rosen auf städtischem Boden breitmachen. Den Anfang würden gerne die CDU-Frauen machen, erzählt Karl. Sie haben sich die Verkehrsinsel in der Weilburger Straße Richtung Eschbach ausgeguckt. Gelbe Rosen und blauer Lavendel – die Usinger Stadtfarben – könnten dort blühen. Karl hat auch schon mal geschaut, ob der Boden tiefgründig genug wäre für eine Bepflanzung mit Rosen. Wäre er!

 

Doch zurück in unser schönes Rosendörfchen Wernborn. Dort wird in den kommenden Tagen sicherlich noch ordentlich gefeiert, bevor im Frühjahr dann die Arbeit an und in den Beeten wieder auf die Helfer vom Obst- und Gartenbauverein wartet. Denn Karl hat für das kommende Jahr bereits 150 Rosenstöcke geordert: Kletterrosen für vier Bögen und jede Menge Strauchrosen. Wo die hinkommen sollen, weiß er auch schon ganz genau: Der Antrag für das Anlegen eines Rosenschaugarten wird bereits in der Verwaltung geprüft. Allerdings kommt der Garten nicht wie angedacht auf die Fläche der Gärten unterhalb der Eichkopfhalle. Die neue Fläche liegt an der Bergstraße, Ecke „Am Sportplatz“. „Alles städtisches Gebiet“, weiß Karl und hofft, den Zuschlag für sein Vorhaben zu bekommen. Wenn das klappt, freue ich mich doppelt, denn dann liegt der Rosengarten direkt vor meiner Haustür. Und ich hatte es bereits im ersten Serienteil erwähnt: Ich liebe Rosen!

 

Wie es im kommenden Jahr im Rosendorf Wernborn weitergeht und wer jetzt schon eine Patenschaft für eines der vielen Rosenbeete übernommen hat, verraten wir im nächsten Teil unserer Rosendorf-Serie. Dann blicken wir auch in die Historie und die Zukunft des Obst- und Gartenbauvereins.