Es war einmal ... Teil 3


5. September 2016

 

Wernborn soll Rosendorf werden. So will es Karl Zwermann, Urgewächs des Dorfes und Gärtner mit Leib und Seele, um im Bild zu bleiben. Wie es dazu kam, warum es so werden und wo das ganz hinführen soll? Als Journalistin bin ich prinzipiell neugierig und will immer alles genau wissen. Grund genug, mich einmal mit dem Gärtner zu treffen und in einer kleinen Serie von Visionen, Chancen und Risiken des Vorhabens zu erzählen. Heute schauen wir über den Gartenzaun in andere Rosendörfer. Und da stellt sich die Frage: Kann der Usinger Ortsteil da überhaupt mithalten?

Der Griff nach den Sternen

Karl Zwermann glaubt an seine Vision aus Wernborn ein Rosendorf machen zu können

 

Als ich vor einigen Wochen anfing, mich intensiv mit dem Vorhaben von Wernborns Chef-Gärtner Karl Zwermann, das Dorf am Rande von Usingen in ein anerkanntes Rosendorf zu verwandeln, zu beschäftigen, tauchte für mich erst einmal die Frage auf: Wie viele Rosendörfer gibt es überhaupt in Deutschland? Dank der modernen Technik war das schnell geklärt: Deutschlandweit gibt es acht Rosendörfer, zehn Rosenstädte und einen Rosenkreis. So weit, so gut.

 

Nach mehrstündiger Recherche tauchte jedoch eine weitere Frage auf. Eine, die zumindest mir fürs Erste ein wenig Magengrummeln bescherte, denn was sich da so alles in Wort und Bild offenbarte, ließ mich von Minute zu Minute mehr staunen. Und vor allem zweifeln. Zweifeln an der Idee von Karl (Man kennt sich und ich darf ihn so nennen – auch hier). Zweifeln daran, ob er, seine Helfer und Wernborn das schaffen können.

 

Blicken wir einmal nach Nöggenschwiel: Im Südschwarzwald gelegen, zählt der Ortsteil von Weilheim gerade einmal 515 Einwohner. Bis 1960 ist das Dorf selbstständig gewesen. 1965 nimmt es am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ teil (Wernborn 1962), 1968 werden die ersten 8000 Rosen – Wernborn hat derzeit zwischen 2500 und 3000 Rosenstöcke – gepflanzt, 1970 findet das 1. Nöggenschwieler Rosenfest statt, das bis heute als Rosentage gefeiert wird, im selben Jahr wird der Ort das zweite deutsche Rosendorf des Vereins Deutscher Rosenfreunde, und die Rose wird Bestandteil des Dorf-Wappens. Im Jahr 1990 wachsen circa 15 000 Rosenstöcke dort.

 

Treibende Kraft

Ehrenbürger Josef Raff ist die treibende Kraft in Nöggenschwiel, und er plant weitere Pflanzungen. 2004 entsteht ein Rosenweg – 900 Meter lang, Raff initiiert einen Schwarzwald-Rosen-Sortimentsgarten. Die Bürger stehen zum großen Teil hinter ihm und seiner Idee, die Kirchengemeinde stellt das Grundstück zur Verfügung, 2008 wird der Garten eingeweiht (Wernborn pflanzt die ersten Rosen). Auf 1500 Quadratmetern stehen dort rund 2000 Rosen in 187 Sorten. 2013 setzt Nöggenschwiel noch einen obendrauf: Ein „Rosen-Duft-Garten“ am Kirchplatz wird eröffnet. Seine Eckdaten: 200 Quadratmeter Grundfläche, 443 Duftrosen in 140 Sorten, darunter 407 Beet-Rosen, 24 Kletter-Rosen, 12 Hochstämme, 20 historische Duftrosen aus Züchtungen ab dem 15. Jahrhundert. Über 20 000 Rosenstöcke blühen heute in dem Schwarzwald-Dörfchen.

 

Puh, da soll einem nicht schwindelig werden. Okay, eine treibende Kraft haben auch wir in Wernborn: Karl Zwermann (76), der unermüdlich ist und stets aufs Neue seine Helfer vom Obst- und Gartenbauverein motiviert. Im übrigen werden die immer mehr. Doch das ist eine andere Geschichte . . .

 

Jedoch: Die Wernborner Verhältnisse sind ein wenig – oder ehrlich gesagt: gewaltig – anders als in Nöggenschwiel: 1522 Einwohner stehen „nur“ rund 2500 Rosen gegenüber. Karl schockt das nicht, schließlich kommen täglich neue hinzu, denn immer noch trudeln täglich die Meldungen der Dorfbewohner ein, wie viele der stacheligen Schönheiten in den privaten Gärten wachsen. Karl hatte ja dazu aufgerufen, um zeigen zu können, wie tiefverwurzelt sein Heimatort mit den Rosen bereits ist. Und er hofft auf weitere Meldungen, damit er ordentlich punkten kann, wenn am Montag, 19. September, die Rosendorf-Macher-Kommission durch den Ort läuft und eine endgültige Entscheidung treffen wird. Hopp oder topp heißt es an diesem Tag für Wernborn. Ein wenig aufgeregt ist Karl schon, gibt er zu, aber auch „zuversichtlich, dass es klappt“.

 

Aber zurück in den Schwarzwald. Da will Karl auf alle Fälle persönlich hin: „Das will ich mir alles genau anschauen!“, sagt er. Angst, nicht mithalten zu können, hat er nicht. „Wir stehen noch ganz am Anfang“, so sein Credo. Und was meine Zweifel angeht, ob Wernborn das schaffen kann, die räumt er schnell aus: Karl ist unverbesserlicher Optimist, Christdemokrat wie Kanzlerin Angela Merkel, und wie sie überzeugt: Ja, wir schaffen das! Ich glaub’s ihm aufs Wort. Selbst in der naheliegenden Rosenstadt Steinfurth sieht er keine Konkurrenz: „Die vermehren und verkaufen vor allem Rosen als Schnittblumen.“ Thema abgehakt.

 

Rosenanbaugebiet wird Wernborn wohl kaum. Aber es könnte zu einem wunderbar-verwunschenen Rosendorf erblühen. „Stell dir mal vor“, sagt Karl leise und schaut mich an. Vielsagend, geheimnisvoll. Spannung liegt in der Luft. Noch mal setzt er an: „Stell dir mal vor . . .“ Und dann stelle ich mir vor, was er mir da gerade erklärt hat: Zwischen den Getreidesilos der Firma Nikolai, dem Autohaus Scheuerling und dem gegenüberliegenden Friedhof könnten entlang der Butzbacher Straße zwei große Areale mit Rosen bepflanzt werden. Erstens: Auf der Seite der beiden Firmen gibt es derzeit in zwei hintereinanderliegenden Streifen Gärten, die zum großen Teil nicht mehr als solche genutzt werden.

 

Wow! Das wäre toll!

Zweitens: Gegenüber der Gärten entlang der Butzbacher Straße verläuft parallel zum Friedhof ein städtisches Grundstück, das einst als Erweiterungsfläche für die letzen Ruhestätten angedacht war. Im unteren Bereich zur Straße hin steht jetzt das Dorfjubiläumsschild, und auch einige Rosenstöcke wurden dort schon gepflanzt. „Was wäre das für ein Entree!“, sagt Karl und seine Augen strahlen. Und ich kann nur denken: „Wow, das wäre toll!“ Doch das Urgestein geht noch einen Schritt weiter – in Richtung Schrebergärten, die unterhalb der Eichkopfhalle direkt am Friedhof in der Bergstraße liegen. „Ich habe mal geträumt, mit den Besitzern der Gärten unterhalb der Eichkopfhalle die Fläche umzugestalten. Jeder könnte seinen Garten behalten, doch wir machen Themengärten daraus, die mit einem verschlungenen Pfad miteinander verbunden sind. Das könnte das Herzstück des Rosendorfes und ein Rosarium sein. Damit könnten wir eine Einmaligkeit schaffen.“

 

Ja, es ist Karls ganz persönlicher Griff nach den Sternen, denn er weiß: Viele der Grundstücksbesitzer hoffen darauf, dass dieses Gebiet Baugebiet wird. Eine Kommission der Stadt prüft derzeit die Optionen für Bauland in den Ortsteilen. Ganz tief in seinem Herzen hofft Karl, dass an dieser Stelle nicht gebaut werden darf. Allerdings hat er für Häuslebauer eine Ausweichmöglichkeit parat: hinter der Feuerwehr, Südhang mit Blick auf den Feldberg und zum Wohnen viel besser geeignet, meint er. Und weiß: Manchmal muss man nach den Sternen greifen, um ein wenig voranzukommen.

 

Und so hat er noch eine Idee parat: Wernborner könnten ihre Gärten, die heute nicht mehr als Anbauflächen für Obst und Gemüse genutzt werden und nur noch Rasenflächen sind, zur Verfügung stellen. „Wir könnten Mustergärten anlegen, Besuchern zeigen, wie sie ihren eigenen Garten mit Rosen und verschiedenen Begleitstauden ein ganzjährig schönes Gesicht geben könnten. Nebeneinander liegende Gärten könnten mit Rosenbogen verbunden werden, es könnte blühende Rosen-Hecken geben . . .“ Karl, der selbst rund 350 Rosen im eigenen Garten hat, ist kaum zu halten. Seine Euphorie ist ansteckend, und so langsam schwinden meine Zweifel, und ich glaube an die Rosendorf-Machbarkeit und an das Wernborn-Mantra: Ja, wir schaffen das! Und daran, dass eines Tages Dornröschen bei Karl anklopft und in Wernborn wohnen will . . .

 

In den weiteren Folgen der Rosendorf-Serie erfahren Sie, ob Wernborn in Sachen Tourismus-Konzept der Kernstadt eine Nasenlänge voraus ist, ob der Obst- und Gartenbauverein die bevorstehenden Aufgaben bewältigen kann, und wieso Rosen aus dem Blumengeschäft eigentlich nicht duften.

 

 

Steinfurth - Wiege des deutschen Rosenanbaus

Rosendorf Steinfurth : In Steinfurth dreht sich alles um die stachelige Schöne. Seit fast 150 Jahren werden dort Rosen angebaut und in alle Welt verschickt. 1868 brachte der Steinfurther Heinrich Schultheis von einer Wanderung durch England die Fertigkeit des Rosenanbaus mit in sein Heimatdorf. Damit veränderte er dessen Geschichte nachhaltig. Mehr als zwei Millionen Rosen werden jährlich in Deutschlands ältestem Rosendorf produziert. Mehr als 100 000 Rosen in allen Farben, Formen und Düften können besichtigt werden. Auf einem Rosenmarkt wird alles angeboten, was für die Anpflanzung und Pflege der Blumen notwendig ist. Nicht zu vergessen das Rosenmuseum, das die Kunst- und Kulturgeschichte der Rose auf anschauliche Weise präsentiert. Öffnungszeiten: Täglich außer Montag im März, April, Oktober, November von 14 bis 17 Uhr; Mai bis September von 11 bis 18 Uhr, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr. An allen geraden Jahren feiert Steinfurth sein Rosenfest.

 

Wer sich Steinfurth und seine Rosen einmal in aller Ruhe anschauen will, der findet im Internet www.wandern-bad-nauheim.de/images/pdf/rosenflyer-h.pdf einen einstündigen Wanderweg, der die ganze Pracht der Anlage zeigt.

 

 

Die Rosendorf-Vorbilder für Wernborn

 

Das Rosendorf Seppenrade hat einen 18 753 Quadratmeter großen Rosengarten mit 600 Sorten. Er wurde 1968 unter der Führung des Heimatvereins auf dem Gelände einer ehemaligen Müllkippe angelegt. 54 Rosenfrauen und 63 Rosenmänner pflegen die 24 000 Rosenstöcke. Die Parkanlage ist ganzjährig geöffnet, Eintritt ist frei.


Rosendorf Assinghausen: Ein Rosenweg führt durch Assinghausen und zeigt auf vier Spazierweg-Routen über 150 Sorten, die die schönen Häuser und Sehenswürdigkeiten des Dorfes schmücken. Führungen können bei der Olsberg-Touristik, Telefon (0 29 62) 9 73 70, gebucht werden.


Rosenstadt Sangerhausen: Hier hat die größte Rosensammlung der Welt mit mehr als 8500 Sorten, das Europa-Rosarium, ihren Platz. Das Rosarium ist Genbank und Museum, das die Entwicklungsgeschichte der Rose von der Wildrose bis zur modernen Rose präsentiert.


Rosenstadt Forst in der Lausitz zeigt auf 17 Hektar 900 Rosensorten auf zehntausenden Rosenstöcken.Eine Vielzahl von Gehölzen, lichtes Grün weitläufiger Rasenflächen sowie ein altehrwürdiger Baumbestand mit Rhododendrenhainen, schaffen in der Parkanlage eine besondere Atmosphäre.


Rosenstadt Uetersen: Es gibt einen Duftgarten, einen Rosenlehrgarten und seit 2012 eine 400 Quadratmeter große Hochzeitsinsel. Das Rosarium ist mit sieben Hektar Fläche der größte Rosengarten Norddeutschlands und steht im Mittelpunkt deutscher Rosenzucht.


Rosendorf Löhndorf: ist seit 2004 anerkannt. Der Verein der Rosenfreunde Löhndorf pflegt die Rosen im Ort. Rund um die Pfarrkirche St. Georg blühen 96 Rosensorten.


Rosendorf Nöggenschwiel: siehe obenstehenden Text


Rosenstadt Eltville am Rhein : Sie war bereits um die Jahrhundertwende für die Rosenvielfalt bekannt. Eltviller Rosen gab es sogar am Zarenhof in Sankt Petersburg. Heute blühen mehr als 350 Sorten in der Stadt. Im Jahr 1988 erhielt Eltville den Namen „Rosenstadt“. Mittlerweile gibt es zwei neue Rosensorten, die den Namen der Wein- und Sektstadt führen: „Stadt Eltville“ und „Schönes Eltville“.


Rosenkreis Neunkirchen: Der Landkreis Neunkirchen, im Saarland gelegen, ist seit der Auszeichnung im Jahr 1985 Deutschlands erster und bisher einziger „Rosenkreis“. Über 20 000 Rosenstöcke stehen in sechs Gärten.


Rosenstadt Zweibrücken: Das Wahrzeichen der Stadt ist der Rosengarten inmitten der Stadt. Über 45 000 Rosen in mehr als 1500 Sorten blühen dort auf über 45 000 Quadratmetern. In Anwesenheit von Prinzessin Hildegard von Bayern wurde der Garten 1914 eröffnet. Heute gilt er als Kulturpark mit einem vielfältigem Programm.


Rosenstadt Baden-Baden: Sie ist die bedeutendste Rosenstadt in Deutschland und gehört in Europa zu den Städten, die über die schönsten Rosenneuheiten verfügen. Hier wird im Sommer von über 100 Preisrichtern stets die schönste aller Rosen gekürt. Zudem hat der Weltrosenverband dem städtischen Rosenneuheiten-Garten auf dem „Beutig“ den „Award of Garden Excellence“ zuerkannt. Seit 1995 verleiht die World Federation of Rose Societies (WFRS) den schönsten Rosengärten diesen Preis. Der Garten auf dem Beutig an der Moltkestraße ist von Mitte April bis zum Herbst täglich von 9 Uhr bis Sonnenuntergang geöffnet.


Rosenstadt Freising: 2001 wurde Freising als Rosenstadt anerkannt.


Rosendorf Schmitshausen: 10 000 Rosen blühen im 440 Einwohner zählenden Dorf in Rheinland-Pfalz
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Rosenstadt Bad Langensalza: Auf einem 18 000 Quadratmeter großen, ehemaligen Fabrikgelände in Thüringen stehen 450 Rosenarten. Die Rosenzucht hat seit 1870 Tradition, 2002 wurde der Stadt der Titel „Rosenstadt “ verliehen. Zwischen 1950 und 1990 wurden hier 91 Rosensorten gezüchtet. Unter Kennern gilt der Rosengarten als einer der schönsten in ganz Deutschland. Anni Berger, Deutschlands einzige Rosenzüchterin, arbeitete hier.


Rosenstadt Dortmund: Das deutsche Rosarium ist im Westfalenpark angesiedelt und hat die Aufgabe, „das Wissen über die Rose in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen, zu vermehren und zu verbreiten“. Rund 2600 Sorten gibt es dort. Das Rosarium präsentiert die Rose zudem in Verbindung mit verschiedenen Stauden und Gehölzen in den unterschiedlichsten Gestaltungen. uko