Es war einmal ...


Wernborn soll Rosendorf werden. So will es Karl Zwermann, Urgewächs des Dorfes, um im Bild zu bleiben. Wie es dazu kam, warum es so werden und wo das hinführen soll? Als Journalistin bin ich prinzipiell neugierig und will immer alles genau wissen. Grund genug, mich einmal mit dem Gärtner mit Leib und Seele zu treffen und in einer kleiner Serie von Visionen, Chancen und Risiken des Vorhabens zu erzählen. Heute geht es zurück zu den Wurzeln des großen Vorhabens.

Wie alles begann - Teil 1

Von der Blumenidylle zum Rosendorf

Rosa Canina verdrehte dem jungen Karl den Kopf

An der Bergstraße blüht es jedes Jahr aufs Neue, und auf der bunten Blumenwiese finden Bienen reichlich Futter. Foto: Konder
An der Bergstraße blüht es jedes Jahr aufs Neue, und auf der bunten Blumenwiese finden Bienen reichlich Futter. Foto: Konder

Seit rund 22 Jahren lebe ich nun schon in Wernborn. 1522 Einwohner zählt der Usinger Ortsteil heute. 1995 waren es noch 1575 gewesen. Als meine Familie damals aus dem Schwabenland kommend auf der Suche nach einem neuen Zuhause war, führte uns unsere Suche irgendwann nach Wernborn. Der erste Eindruck: Dorf! Ich liebe Dorf! Der zweite Eindruck: Es gibt einen Friseur, einen Tante-Emma-hat-alles-Laden, einen Metzger, eine Bank, einen Kindergarten und einen Edeka-Markt. Mit Frikadellen-Brötchen. Lecker! Der Vater meiner vier Kinder liebte Lecker! Schnell war klar: Wernborn, wir bleiben.

 

Wenn ich heute so zurückblicke, dann hat sich meine neue Heimat gewandelt: Das Vereinsleben ist längst nicht mehr so rege, Veranstaltungen wie die Kerb stehen nicht mehr so hoch im Kurs wie vor zwei Jahrzehnten. Viele wohnen hier, weil es schon schön ruhig ist. Dorf halt! Das Schöne daran: Man kennt sich – die meisten zumindest. Und wer in einem der sechs Vereine ist, der kennt auch noch die anderen.

 

Einer von ihnen gehört zu Wernborn, wie die Musik zum hessischen Handkäs’: Karl Zwermann. Wer den 76-Jährigen nicht kennt, ist kein Wernborner. Karl – ich darf ihn so nennen, denn man kennt sich – ist ein Urgestein des Dorfes. In der Neuen Straße 24 stand seine Wiege. Geboren als Sohn des Gärtners Christoph Zwermann und dessen Frau Frieda ist er tief verwurzelt mit dem erstmals im Jahr 1191 in einer Urkunde des Erzbischofs von Mainz als „Berenbrunnen“ erwähnten Ort. Die Liebe zu Pflanzen wurde ihm – ebenso wie seinen Brüdern Erhard und Christoph – also mit auf den Weg gegeben. Bis ins Jahr 2006 kaufte ich Blumen in der Zwermannschen Gärtnerei in der Dorfmitte, die von seinem Bruder Erhard seit 1991 betrieben wurde; später dann bei Karls Sohn Uli am Ortsrand.

 

Heute sind beide Gärtnereien verschwunden. In der Ortsmitte hat sich ein Neubaugebiet breit gemacht, die 8000 Quadratmeter große Gärtnerei am Ortsrand brannte am 13. November 2007 innerhalb von drei Stunden nieder. Nachts gegen 3 Uhr hat mich damals meine Freundin aus den Bettfedern geklingelt: „Es brennt, die Gärtnerei steht in Flammen!“ Eine Inferno ohnegleichen, halb Wernborn mitten in der Nacht „uff de Gass“, Entsetzen, Tränen, 1,5 Millionen Sachschaden. Wir haben gemeinsam geweint – man kennt sich, man lacht und man weint miteinander.

 

Viele Jahr war Karl Zwermann nicht in seinem Dorf. Unter anderem als Präsident des Zentralverbandes Gartenbau (ZVG) hatte es ihn in die Welt hinausgezogen. Von 1995 bis 2007 war er weg. „Das hat dem Ort nicht gut getan“, sagt er heute. Selbstbewusst. Mit Recht. Karl ist ein Macher, einer der Visionen hat, die Dinge anpackt, sie vorantreibt, taktiert, Ideen durchzusetzen versteht. Wen wundert’s, der Dörfler ist seit seinem 15. Lebensjahr politisch engagiert. Christdemokratisch, war Stadtverordneten- und Ortsvorsteher, hat letzteres Amt gerade wieder inne. So kommt eines zum anderen: blühende Fantasien und politisches Geschick.

 

Mehr Lebensqualität

Und seit Karl wieder in Wernborn ist, blüht (in) dem Dörfchen auch so einiges. Vor allem Rosen. Der einst oberste Gärtner Deutschlands will aus seinem Dorf ein anerkanntes Rosendorf machen. Ihn lockt die „Herausforderung, sich für ein bestimmtes Ziel einzusetzen, Mehr Lebensqualität, damit man sich hier wohlfühlt“, will Karl. Ach ja: Und die Dreckecken wegbekommen, denn: „Grasflächen sind für die Umwelt nicht wertvoll, mit anderen Pflanzen haben wir eine bessere Sauerstoff-Produktion“, sagt er voller Überzeugung. Und – eigentlich will er darüber ja gar nicht reden – Rosenflächen sind besser als Rasenflächen – Hunde lieben es nicht beim Geschäftemachen gepiekst zu werden. Doch wie gesagt, darüber will er eigentlich gar nicht reden.

 

Viel lieber erzählt er von der Königin der Blumen, der Rose. Seine „Liebe zu ihr ist gewachsen“. Über viele Jahre hinweg. Eigentlich liebte er ja die Gerbera, doch dann machte ihm Rosa Canina schöne Augen: Gegenüber seinem Elternhaus ragte nackter Fels gen Himmel. Fast nackter. Denn eines Tages entdeckte der Wernborner Bub, dass aus einem Spalt im grauen Stein ein kleines Pflänzchen seine grünen Blätter dem Sonnenlicht entgegenstreckte. Eben diese Rosa Canina, landläufig bekannt als Hundsrose. Rosa Canina hat allerdings nichts mit besagten Rasenflächen liebenden Vierbeinern zu tun. „Sie hat den ganzen Sommer so wunderbar geblüht“, gerät er noch heute ins Schwärmen. „Und ich habe mich gefragt: Wie kann eine Rose in einem trockenen Felsen überleben?“ Heute kennt er die Antwort: „Rosen sind bescheiden und genügsam!“ Und nicht zu vergessen: „Schön!“

 

Auch im elterlichen Garten standen überall Rosenstöcke. „Mein Vater liebte sie auch“, sagt Karl. Vieles hat er mit seinem Vater gemeinsam. Auch die Mitarbeit im Wernborner Obst- und Gartenbauverein. Besser gesagt, die Leitung des im Jahr 1898 gegründeten Vereins. Nach dem Gesangverein Frohsinn 1873 übrigens der zweitälteste Verein in Wernborn. Vater Christoph Zwermann erweckte den Verein nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 zu neuem Leben. 30 Jahre lang führte er ihn, Karl übernahm 1977 das erste Mal, 2007 das zweite Mal den Chefposten. Damit erhielten der Verein und das Dorf eine neue Ausrichtung: Wernborn sollte zum blühendsten Ortsteil der Stadt Usingen werden. Karl säte bunte Blumenwiesen an den Ortseingängen und im Dorf (direkt vor meinem Haus) ein, pflanzte mit seinem OGV die ersten Rosen- und Rhododendronstöcke. Seit 2010 hat das verschlafene Nest ein Rosenfest, begrüßt jedes Jahr dazu Mutter Beimer aus der Lindenstraße in der Lindenstraße. Ja, Karl weiß, wie man auf etwas aufmerksam macht.

 

Mittlerweile wachsen und gedeihen in Wernborn mehr als 2500 Rosenstöcke, entfalten verschiedene Sorten ihre Schönheit und zeigen sich von Frühsommer bis in den Herbst hinein in den Farben Orange, Rot, Weiß, Gelb. Ohne bislang auch nur einmal mit Chemie gehandelt worden zu sein, betont der Gärtner. Er schwärmt vom Farbenspiel seiner „Westzeit“, die orange aufblüht, ins Gelbliche übergeht und rosa verblüht. Fleißig wie das Lieschen ist die Westzeit, ständig treibt sie neue Knospen aus, wirft die alten selbstständig ab, öffnet sich bereitwillig für die Bienen, blüht, und blüht, und blüht. Mehr als die Hälfte aller Stöcke in Wernborn sind Westzeit. „Ich bin zufrieden, mit den Sorten die wir haben“, sagt der Rosenmann. Sie scheinen sich trotz des rauhen Klimas in Wernborn wohl zu fühlen. Gut so – für die Rosen: „Wer sich hier nicht wohlfühlt und dauernd krank wird, muss gehen!“, sagt Karl. Die Hochstämme haben sich so selbst ins Aus geschossen. 30 wurden gepflanzt, nur vier haben überlebt. Tschüss Hochstamm.

 

„Hallo“ heißt es im September für die Rosendorf-Macher-Jury. Und während wir zum Interview im Zwermannschen Wintergarten sitzen, klingelt immer wieder das Telefon. Beim letzten Klingeln ist einer der „Rosendorf-Macher“ am anderen Ende der Leitung. Es geht um besagten Besichtigungstermin. „Ja, ich weiß, wir müssen gut sein“, sagt Karl nur. Heißt: Die Rosenpflanz-Arbeit im Dorf ist noch lange nicht getan, Luft nach oben ist immer. Und die Ideen gehen dem Wernborner da noch lange nicht aus . . .

 

In den weiteren Folgen der Rosendorf-Serie erfahren Sie, welche Ideen Karl Zwermann noch umsetzen will, ob der Obst- und Gartenbauverein das Vorhaben überhaupt stemmen und Wernborn mit anderen Rosendörfern überhaupt mithalten kann.

 

Karl Zwermann bei seiner Rosa Canina. Schon als Kind stand er an dieser Stelle in der Neuen Straße und hat die genügsame Rose bewundert. Foto: Konder
Karl Zwermann bei seiner Rosa Canina. Schon als Kind stand er an dieser Stelle in der Neuen Straße und hat die genügsame Rose bewundert. Foto: Konder

Wer hat die Sache mit den Rosendörfern erfunden?

 

Der Begriff Rosenstadt ist, wie auch Rosenkreis und Rosendorf, in Deutschland eine Bezeichnung, die von der Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde (bis 2007 Verein Deutscher Rosenfreunde, kurz: VDR) vergeben wird.

Die Idee, Rosendörfer zu schaffen, hatte Oskar Scheerer (1906-1971), ehemaliger Präsidenten des Rosen-Freunde-Vereins und lange Zeit Gartendirektor des Rosengartens in Zweibrücken. Auf einem Rosenkongress in Baden-Baden erläuterte er 1965 seine Idee. Im Rahmen der Aktion „Unser Dorf soll schöner werden“ sollten Ortschaften für die Auswahl qualifiziert werden. Die Rosendörfer sollten die Liebe zu den Rosen im weiten dörflichen Bereich wecken und deren Verbreitung und Pflege fördern. 1966 wurde Schmitshausen bei Zweibrücken zum ersten Rosendorf gekürt.

Die Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde unterstützt Einsteiger ebenso wie fortgeschrittene Liebhaber der Blumen sowie Spezialisten. Fachliche Informationen, kostenfreie Beratungen, Tipps und Hintergrundwissen gibt es ebenso. In Deutschland arbeiten auf regionaler Ebene mittlerweile fast 50 Freundeskreise. Einer davon sitzt in Frankfurt und dort ist auch der Wernborner Verein Mitglied. Infos unter www.rosenfreunde.de oder unter www.rosenfreunde-frankfurt.de. 

 

Rosenzucker selbst gemacht

Die ehemalige Kräutermarie Ulla Buddeus zeigte im Sommer 2012 wie Rosenblätter richtig geerntet werden. Foto: Konder
Die ehemalige Kräutermarie Ulla Buddeus zeigte im Sommer 2012 wie Rosenblätter richtig geerntet werden. Foto: Konder

 Auch wenn die in der Natur wachsende Heckenrose Hundsrose (Rosa Canina) heißt, schmälert dies wohl kaum ihre Schönheit. Und schon gar nicht ihre Wirksamkeit. Der Duft der Rosen wirkt auf das Gemüt aufhellend. So wird die Blume etwa gegen Depressionen genutzt. Zudem wirken ihre Inhaltstoffe schwach abführend, harn- und schweißtreibend, ist in der Fachliteratur zu lesen.

Wer Rosen in der Natur ernten will, der sollte nur die Blütenblätter sammeln, die beim schütteln des Blütenkopfes von alleine abfallen. Wer die Blütenköpfe rabiat abreißt, nimmt den Bienen die Möglichkeit die Pflanze noch zu bestäuben, und er raubt sich dadurch selbst die Möglichkeit, im Herbst Hagebutten zu ernten.

Blütenblätter werden bei trockenem Wetter geerntet. Am besten sollten die Blätter gleich in einen Karton fallen, ohne dass sie angefasst werden. Grund: Mit jeder Knickstelle gehen ätherische Öle verloren. Auch während der Trocknung – dünne Lagen und an einer etwas zugigen Stelle im Schatten – sollte die Ernte nur gerüttelt werden.

Wertvolle Vitamine

Rosenblätter können frisch und getrocknet verwendet werden. Generell sind alle Duftrosen – also auch die in den heimischen Gärten – verwendbar. Allerdings sollten sie nicht gespritzt sein. Verwendet werden Blüten und Früchte. Unter anderem enthalten Rosen Vitamine C, A, B 1, B 2, Pektine und ätherisches Öl. Die Heckenrose ist mehrjährig und kann bis zu drei Meter hoch werden. Duftrosen blühen den ganzen Sommer über.

Rezeptur

Für den selbst gemachten Rosenzucker nehme man fünf ungespritzte Rosen (gekauft oder aus dem eigenen Garten) mit Duft und 250 Gramm Zucker. Rosenblätter einzeln abzupfen und auf ein Küchenpapier trocknen lassen. Dann werden die Blätter fein im Mörser zerstoßen, mit dem Zucker vermischt und in einem verschlossenen Glas aufbewahrt. Die Haltbarkeit beträgt etwa ein Jahr. Der Rosenzucker kann allen Desserts, die duften sollen, beigefügt werden.